Kapitänsfahrt 2023 – Tag 3

Kaysersberg, Straßburg und das Europa-Parlament

Der morgendliche Nebel lichtete sich langsam, als der 61er Opel Kapitän mit seiner unverwechselbaren Eleganz auf den Straßen von Offenburg glänzte. Er hatte uns bereits an so manchen Ort gebracht und auch an diesem Tag versprach er eine zuverlässige Fahrt. Gestern Abend waren wir spät in Offenburg angekommen, die Temperatur des Motors leicht erhöht. Doch nach einer erholsamen Nacht schien der alte Motor wieder in Bestform zu sein, schnurrend wie ein treuer Begleiter.

Unsere Reise führte uns heute von Offenburg in die malerische mittelalterliche Stadt Kaysersberg im Elsass, auf der französischen Seite der Grenze. Das Kaysersberg-Tal, bestehend aus acht Ortschaften, erstreckt sich von den elsässischen Weinbergen über die Welche-Region bis hin zu den Gipfeln der Route des Crêtes in den Vogesen.

Nach einer kurzen Zeit in Kaysersberg setzten wir unsere Reise fort, diesmal Richtung Straßburg. Im Kontext unseres Themas „Reise zur Wiege Europas“ war Straßburg natürlich ein unumgängliches Ziel. Die Geschichte dieser Stadt war geprägt von Wechseln zwischen französischer und deutscher Herrschaft. Heute hat sie sich zu einer bedeutenden europäischen Metropole entwickelt. Hier residieren der Europarat, das Europaparlament, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der Europäische Bürgerbeauftragte und das Eurokorps. Straßburg betrachtet sich selbst als Hauptstadt Europas und Teile der Altstadt sowie die Neustadt waren sogar Teil des UNESCO-Weltkulturerbes.

Die Bedeutung von Straßburg für die europäische Einigung ist unbestreitbar und Straßburg war der Ort, an dem die deutsch-französische Aussöhnung und die Vision eines vereinten Europas Wirklichkeit wurden.

Das Europa-Parlament

Unser Weg führte uns ins Herz des Europäischen Parlaments. Hier erlebten wir Kultur, Kunst und Veranstaltungen, die diesen Ort zu einem Ort des ständigen Lernens und Austauschs machten. Wir erfuhren mehr über die Schuman-Erklärung, die den Grundstein für den Aufbau der Europäischen Gemeinschaft legte. Diese Erklärung, benannt nach dem französischen Außenminister Robert Schuman, führte zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), aus der schließlich die heutige Europäische Union hervorging. Seit 1985 wird stets am 9. Mai der Europatag gefeiert, um diesen historischen Schritt zu ehren.

Unser Besuch führte uns auch zum Parlamentarium Simone Veil, benannt nach der ersten Präsidentin des Europäischen Parlaments. Hier tauchten wir ein in eine immersive Welt, die uns half, die Funktionsweise der europäischen Demokratie zu verstehen. Interaktive Exponate ermöglichten es uns, mehr über unsere Vertreter auf europäischer Ebene zu erfahren und zu verstehen, wie sie den Herausforderungen unserer Zeit begegnen.

Der Tag neigte sich dem Ende zu, als wir uns auf den Rückweg nach Offenburg machten. Der Kapitän, der uns an diesem Tag zu diesen bedeutenden Orten geführt hatte, erfüllte die Straßen erneut mit seinem nostalgischen Charme. Die Erinnerungen an diesen Tag würden in unseren Herzen weiterleben, während wir uns auf die nächsten Abenteuer vorbereiteten, die uns auf unserer Kapitänsfahrt noch erwarten sollten.


Wissenswertes zu Kaysersberg

Kaysersberg ist eine charmante Stadt im Elsass, einer Region im Nordosten Frankreichs. Die Geschichte von Kaysersberg reicht viele Jahrhunderte zurück und ist eng mit der turbulenten Geschichte des Elsass verbunden. Hier sind einige wichtige Ereignisse und Entwicklungen in der Geschichte von Kaysersberg:

  1. Frühgeschichte: Die Gegend, in der sich heute Kaysersberg befindet, war bereits in der Römerzeit besiedelt. Die Stadt hat ihren Ursprung im Mittelalter und wurde im 13. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt.
  2. Herrschaft der Habsburger: Im Laufe der Geschichte wechselte die Stadt mehrmals ihren Besitzer. Die Habsburger waren eine der bedeutendsten Herrscherdynastien im Elsass, und Kaysersberg war unter ihrer Herrschaft.
  3. Dreißigjähriger Krieg: Während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) wurde das Elsass in einen blutigen Konflikt verwickelt. Kaysersberg war keine Ausnahme und wurde von verschiedenen Armeen besetzt und geplündert.
  4. Französische Herrschaft: Nach dem Westfälischen Frieden im Jahr 1648 wurde das Elsass ein Teil Frankreichs. Unter französischer Herrschaft erlebte Kaysersberg eine Zeit des Wohlstands und des Wachstums.
  5. Deutsches Reich: Während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870-1871 wurde das Elsass von deutschen Truppen erobert, und Kaysersberg wurde Teil des Deutschen Reiches. Dies dauerte bis zum Ende des Ersten Weltkriegs im Jahr 1918.
  6. Rückkehr zu Frankreich: Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte das Elsass, einschließlich Kaysersberg, zu Frankreich zurück. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Region erneut von deutschen Truppen besetzt, aber nach Kriegsende wurde sie erneut französisch.
  7. Heutige Zeit: Heute ist Kaysersberg eine malerische Stadt im Elsass, die für ihre gut erhaltenen Fachwerkhäuser, ihre reiche Weintradition und ihre Rolle als Touristenziel bekannt ist. Die Stadt hat auch historische Sehenswürdigkeiten wie das Schloss Kaysersberg, das aus dem 13. Jahrhundert stammt.

Kaysersberg ist auch berühmt für seinen Weihnachtsmarkt und seine gastronomische Kultur, einschließlich der elsässischen Küche und des berühmten elsässischen Weins. Die Stadt hat ihre historische Atmosphäre bewahrt und zieht Besucher aus der ganzen Welt an, die die reiche Geschichte und die malerische Umgebung genießen möchten.

Straßburg / Strasbourg

Straßburg hat eine ebenso bewegte Geschichte – insbesondere als freie Reichsstadt. Auch Straßburg war einem ständigen Wechsel zwischen deutscher und französischer Herrschaft unterworfen, hat sich jedoch heute zu einer echten europäischen Metropole entwickelt. Aufgrund der vielen europäischen Institutionen, die hier ansässig sind, sieht sich die Stadt als Hauptstadt Europas. Ihre mittelalterliche Altstadt auf der Grande-Île ebenso wie die Neustadt zählen heute zum UNESCO- Weltkulturerbe. 

Das so genannte Straßburger Becken wird bereits seit 1.300 v.Chr. ständig besiedelt. Die Stadt selbst wurde im Jahre 12 v.Chr. vom römischen Feldherrn Drusus als militärischer Außenposten des Römischen Reiches gegründet. Bis ins 5. Jahrhundert n.Chr. wurde Straßburg von den Alemannen, den Franken und den Hunnen erobert. Bekannt sind auch die so genannten „Straßburger Eide„, die hier im Jahr 842 geschworden wurden – in lateinischer Sprache sowie auf althochdeutsch und altfranzösisch.

Im Mittelalter gehörte Straßburg zum Heiligen Römischen Reich. Ab 1261 entwickelte sich die Stadt unter der Federführung der Patrizierfamilien Müllenheim und Zorn zu einem der wichtigsten Wirtschaftszentren in der Region. 1358 erwarb Straßburg ihre Unabhängigkeit und wurde Freie Reichsstadt. Das blieb sie bis 1681. Im Jahr 1332 hatten sich die Auseinandersetzungen zwischen den Patrizierfamilien derart verschärft, dass die Vorherrschaft des Stadtadels gestürzt wurde – die Zünfte übernahmen die Macht in der Stadt. Sie regierten Straßburg im „Fünfzehner-Rat„, der die Zünfte, das Handwerk, das Gewerbe und den Handel kontrollierte. Doch damit nicht genug: In Folge der Handwerkeraufstände im Jahr 1482 wurden die Patrizier gezwungen, weitere Zugeständnisse zu machen – diese wurden in einer neuen Verfassung niedergeschrieben. Sie garantierte den Zünften zwei Drittel der Sitze im Rat und behielt bis zur Französischen Revolution ihre Gültigkeit. Straßburg wurde zu einer der ersten kleinen Republiken innerhalb des Heiligen Römischen Reichs.

In den Jahren 1348 und 1349 wurde auch Straßburg von den Verheerungen der Pest getroffen. In diesem Zusammenhang fand am 14. Februar 1349 eines der ersten und größten Progrome im deutschen Raum statt, das eine Welle der Judenverfolgung im Zusammenhang mit der Pest auslösen sollte. Mehrere hunderte (einige Quellen berichten von bis zu 3.000) Straßburger Juden wurden öffentlich verbrannt, die Überlebenden wurden aus der Stadt gejagt. Noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war es Juden bei Androhung der Todesstrafe untersagt, sich nach 22 Uhr innerhalb der Stadtmauern Straßburgs aufzuhalten.

Um 1450 erfand Johannes Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen Lettern – und revolutionierte damit die Herstellung und Reproduktion von Büchern. Straßburg wurde zu einem wichtigen Zentrum der Buchherstellung und die Straßburger Buchdrucker leisteten einen essentiellen Beitrag zur Verbreitung der Reformation, die in Straßburg schon früh Anerkennung fand.

Nach 1648 strebte Frankreich den Rhein als Grenze an. Im Rahmen der 1679 begonnenen Reunionspolitik des französischen Königs Ludwigs XIV. geriet auch Straßburg ins Visier seiner Bestrebungen. Frankreich wollte sein Gebiet bis an den Rhein ausdehnen und so wurde Straßburg im September 1681 von den Franzosen besetzt. Im Jahr 1697 wurde die Zugehörigkeit Straßburgs zu Frankreich offiziell bestätigt. Protestanten wurden von nun an aus öffentlichen Ämtern entfernt und das Straßburger Münster wurde als katholische Kirche geweiht. Dennoch nahm die Unterdrückung des Protestantismus in Straßburg nicht die Formen an, die sie in Frankreich zeigte. Es herrschte Religionsfreiheit, auch wenn die katholische Kirche von zahlreichen Vergünstigungen profitierte.

Bis 1789 war das Elsass faktisch eine exterritoriale Provinz Frankreichs, blieb Deutschland jedoch fest verbunden. Das zeigte sich unter anderem daran, dass das Elsass durch eine an den Vogesen entlang laufende Zollgrenze vom Rest Frankreichs getrennt war, es hingegen zu Deutschland keine Zollgrenze gab. So behielten die Stadt und ihre Umgebung sowohl die deutsche Sprache als auch die deutsche Kultur bei. Aufgrund seiner Sonderstellung wurde Straßburg zu einem wahren Magneten für Republikaner aus ganz Deutschland – viele Oppositionelle und Revolutionäre gingen hier ins Exil. Darunter auch Georg Büchner. Die französische Vorherrschaft in Straßburg wurde erst um Deutsch-Französischen Krieg in den Jahren 1870 bis 1871 gebrochen. Straßburg wurde von deutschen Truppen belagert und kapitulierte am 28. September 1870.

Im Jahr 1871 wurde Straßburg zur Hauptstadt des Reichslandes Elsass-Lothringen – ein Teil des neuen Deutschen Reiches. In der Folge wurde die Stadt zu einer der bedeutendsten Festungen im westlichen Teil des Reiches ausgebaut. Im Inneren blieb das Elsass jedoch gespalten. So lehnte die Mehrheit der elsässischen Bevölkerung eine Eingliederung ins Deutsche Reich ab, was sich auch in den Reichstagswahlen der Folgejahre widerspiegelte. Bis 1890 blieben die Autonomisten im Elsass die stärkste Partei. Wirtschaftlich erlebte das Gebiet einen enormen Aufschwung. Das deutsche Verwaltungssystem räumte den Kommunen mehr Gestaltungsmöglichkeiten ein als dies unter französischer Verwaltung der Fall gewesen war und die 1895 erlassene Gemeindeordnung garantierte der Stadt Straßburg mehr Freiheit als vergleichbare französische Kommunen bis heute genießen.

In Elsaß-Lothringen galt das „allgemeine gleiche Kommunalwahlrecht“, das sich stark von dem eingeschränkten Wahlrechten in anderen deutschen Staaten unterschied. So war Straßburg vor dem 2. Weltkrieg die einzige Stadt in Deutschland, in der die Sozialdemokraten maßgeblich im Gemeinderat vertreten waren und so die Möglichkeit besaßen, die Kommunalpolitik wesentlich zu beeinflussen. 1906 wurde mit den ausschlaggebenden Stimmen der SPD Rudolf Schwander zum Bürgermeister gewählt, der den Ausbau der Stadt mit Unterstützung sozialpolitisch engagierter Mitarbeiter vorantrieb. Im sogenannten Großen Durchbruch, der zum umfangreichsten städtischen Sanierungsprojekt im Deutschen Reich wurde, wurden heruntergekommene Armenviertel abgerissen und durch großzügig gestaltete Neubauten ersetzt. Die städtische Armenfürsorge und die Gesundheitsvorsorge wurden neu geregelt. Auch dadurch war die Beziehung des Elsass zum übrigen Deutschland stets von Spannungen geprägt. Nach dem 1. Weltkrieg und der Abdankung des Kaisers erklärte sich Elsass-Lothringen zur unabhängigen Republik Elsass-Lothringen. Wenige Tage darauf wurde es von französischen Truppen besetzt. Gemäß dem Versailler Vertrag von 1919 wurde Elsass-Lothringen erneut Frankreich zugesprochen.

In der Zeit zwischen der deutschen Invasion in Polen zu Beginn des 2. Weltkrieges und der Kriegserklärung der Briten und Franzosen an das Deutsche Reich wurde die gesamte Stadt Straßburg evakuiert. Mehr als 120.000 Menschen waren davon betroffen. Bis zum Einmarsch der Wehrmacht im Juni 1940 gab es fast ein Jahr lang nur kasernierte Soldaten in der Stadt. Nach dem Waffenstillstand im Juni 1940 wurde das Elsass wieder an das Deutsche Reich angeschlossen. Es folgte eine rigide Germanisierung des Gebietes, die nur Einwohner elsässischer Herkunft zuließ – Juden durften nicht in die Stadt zurückkehren. Die ehemalige jüdische Gemeinde der Stadt flüchtete nach Périgueux und Limoges. Die Universität zog nach Clermont-Ferrand um. Sämtliche Straßennamen wurden deutsche Straßennamen ersetzt und die französische Sprache verboten.

Ab 1943 begannen Flugzeuge der westlichen Alliierten, die Stadt zu bombardieren. Schließlich, am 23. November 1944, wurde Straßburg von US-Truppen und der französischen 2. Panzerdivision befreit. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt es zunächst, die Zerstörungen infolge der britisch-amerikanischen Luftangriffe in der Altstadt und in den Industriegebieten zu beseitigen und die Stadt wieder aufzubauen. Neue Wohnviertel wurden errichtet, die den Wohnungsmangel innerhalb der Stadt lösen sollten. Im Jahr 1949 wurde Straßburg zum Sitz des von Winston Churchill angeregten Europarats und 1952 zum Sitz des Europäischen Parlaments. 1992 eröffnete in Straßburg der deutsch-französische Kulturkanal arte seine Sendeanlagen und im Jahr 2005 entstand der Eurodistrikt Straßburg-Ortenau. Die Stadt wurde zum Symbol der deutsch-französischen Aussöhnung und der europäischen Einigung.

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