Politische Herausforderungen in 2023 für die Arbeit des Rates der EU

Der wissenschaftliche Dienst des Rates der EU veröffentlichte jetzt sein “Forward Look”-Dokument für das neue Jahr. Ziel des Papiers ist es, einige Einblicke in den weiteren politischen Kontext zu geben, an dem sich die politische Arbeit des Rat und des Europäischen Rates in den nächsten zwölf Monaten orientieren sollte.

Die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen analysieren dafür vier große Herausforderungen, die ihrer Auffassung nach die EU-Agenda mitbestimmen werden. Diese werden durch folgende Überschriften verdeutlicht: materielle Verknappung, gesellschaftlicher Druck, Bewaffnung der Interdependenzen (militärische und wirtschaftliche Abschreckung) sowie die Notwendigkeit, den internationalen Einfluss der EU zu erhalten.

Diese schwierige Ausgangslage machen die Autor*innen an sieben Entwicklungen fest, die sie in ihrem Forward Look 2023 kurz beschreiben, die globale Fragmentierung, der Wettbewerb zwischen verschiedenen politischen Modellen als auch zwischen verschiedenen Wirtschaftsmodellen, die Digitalisierung, der Wettbewerb, die gesellschaftliche Polarisierung, demografische Ungleichgewichte und die Alterung der Bevölkerung sowie der Klimawandel.

Die Ereignisse des vergangenen Jahres – allen voran der russische Einmarsch in der Ukraine mit seinen unmittelbaren und langfristigen Folgen – haben diese langfristigen globalen Trends bestätigt, schreiben sie.  Ihre Entwicklung im Jahr 2022 deute darauf hin, dass die EU den Beginn einer neuen Ära erlebe, die sowohl Herausforderungen und Chancen mit sich bringe und eine weitreichende Neubewertung des europäischen Modells erforderlich machen könnte, heißt es weiter.

Sieben Trends, vier Herausforderungen: Auszug aus „Forward Look 2023“, ©: Generalsekretariat des Rates der EU

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, Migrationsdruck, Energie, Wirtschaft und die strategische Position der EU werden auf der politischen Agenda ganz oben stehen. Die Notwendigkeit, die laufenden Krisen zu bewältigen, fällt zusammen mit dem nahenden Ende der laufenden Legislaturperiode. 2023 ist das letzte vollständige Jahr des aktuellen politischen Zyklus der EU, bevor Mitte 2024 wieder Europawahlen und die Neubesetzung der Europäischen Kommission stattfinden.  In diesem politischen Kontext, so lautet das Plädoyer, wird es immer wichtiger, dass die längerfristige Perspektive mit den kurzfristigen Zielen in Einklang zu bringen und die ersteren bei der Verfolgung der letzteren nicht aus den Augen zu verlieren.

Die Verfasser prophezeien Spannungen in der Union, mit denen sich die Regierungen der Mitgliedstaaten und die Ratsgremien auseinandersetzen müssen, Spannungen zwischen Austerität und Kohäsion sowie zwischen Werten der Gemeinschaft und individuellen Interessen. Vor dem Hintergrund eines verstärkten Wettbewerbs um Ressourcen werde es für den Rat schwierig, in einer Reihe von Fragen Kompromisse zu finden. Sie befürchten mehr Spaltungen in den Debatten auf EU-Ebene, aber auch in den Koalitionsregierungen der EU-Länder. Fragen im Zusammenhang mit der Konditionalität der Rechtsstaatlichkeit werden wahrscheinlich weiterhin problematisch sein. Sie sehen das Risiko, das die Arbeit des Rates verlangsamt und der Druck auf die Mitgliedstaaten größer wird, nach kreativen Lösungen zu suchen.

Populismus, Vertrauensverlust in EU-Institutionen und demokratische Systeme werden als weitere mögliche Risiken beschrieben. Um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die EU zu stärken braucht es nach Auffassung des wissenschaftlichen Teams eine koordinierte und wirksame europäische Antwort auf die zunehmende wirtschaftliche und soziale Ungleichheit.

European Consulting Group