Interessenkonflikte bei den Kohäsionsausgaben der EU: Transparenz und Aufdeckung sind lückenhaft

Der Europäische Rechnungshof hat sich in einem Sonderbericht mit der Frage befasst, ob die Verantwortlichen für die Kohäsions- und Agrarfonds in angemessener Weise gegen Interessenkonflikte vorgehen. 

Wie bekannt, unterliegt etwa die Hälfte der EU-Ausgaben der geteilten Mittelverwaltung durch die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten. Dies gilt unter anderem für die drei wichtigsten Fonds der Kohäsionspolitik: den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), den Europäischen Sozialfonds (ESF) und den Kohäsionsfonds (KF). Bei der geteilten Mittelverwaltung trägt die Kommission die Gesamtverantwortung für die Ausführung des Haushaltsplans, während die Mitgliedstaaten wirksame und verhältnismäßige Maßnahmen ergreifen müssen, um Unregelmäßigkeiten zu verhindern, aufzudecken und zu beheben. Die nationalen Behörden sind in erster Linie für die korrekte Mittelvergabe in ihrem Land zuständig, müssen also Unregelmäßigkeiten ermitteln und beseitigen.

Obwohl es ein Regelwerk zur Vermeidung und Behandlung von Interessenkonflikten bei der Verwendung von EU-Geldern gibt, bestehen Lücken in Bezug auf die Förderung von Transparenz und die Erkennung von Risikosituationen. Zu diesem Fazit gelangt der neue Bericht des Europäischen Rechnungshofs. „Vor dem Hintergrund der überarbeiteten Rechtsvorschriften und jüngster Vorkommnisse wollten wir überprüfen, ob die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten in angemessener Weise gegen Interessenkonflikte in der gemeinsamen Agrarpolitik und der Kohäsionspolitik vorgegangen sind“, erklärte Pietro Russo, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. „Wir haben festgestellt, dass Anstrengungen unternommen wurden, um das Problem anzugehen, aber nach wie vor Lücken bestehen. Die Meldung von Fällen sollte verbessert werden, um einen klaren Überblick über die von Interessenkonflikten betroffenen Beträge zu erhalten.“

Nach den EU-Vorschriften müssen Personen, die an der Verwaltung von EU-Mitteln beteiligt sind, dafür sorgen, dass keine solchen Konflikte aufgrund von politische Näher oder nationaler Zugehörigkeit, wirtschaftlichen Interessen oder andere direkter oder indirekter persönlicher Interessen entstehen. Wird eine Befangenheit vermutet oder festgestellt, muss die zuständige Behörde sicherstellen, dass die betreffende Person jede Tätigkeit in dem entsprechenden Zusammenhang einstellt.

Auf nationaler Ebene wird dies vor allem über Selbsterklärungen gehandhabt, erläutern die Prüfer*innen. Diese Erklärungen seien jedoch nicht unbedingt zuverlässig, und der Abgleich von Informationen könne sich mitunter schwierig gestalten. So stellten sie in ihrem Sonderbericht 6/2023 fest, dass in den von ihnen untersuchten Ländern Deutschland, Ungarn, Malta und Rumänien öffentliche Vertreter*innen, die an Entscheidungen über EU-Programme und die Zuweisung von entsprechenden Fördermitteln beteiligt waren, nicht zwingend eine Selbsterklärung abgeben mussten. Und dies, obwohl die Vorgaben dazu seit 2018 bestehen.

Den Prüfer*innen zufolge legten die nationalen Behörden großen Wert auf die Aufdeckung von Interessenkonflikten bei der Auftragsvergabe, achteten jedoch nicht immer auf bestimmte Warnsignale. Diese beträfen z. B. die zahlreichen Verfahren, bei denen kein ordnungsgemäßer Wettbewerb stattfinde, wie bei Aufträgen, die ohne Vergabeverfahren ausgehandelt werden. Die Kontrolleur*innen stellten außerdem fest, dass es noch keine Maßnahmen zum Schutz von internen Hinweisgeber*innen gibt, also für Personen, die Verstöße gegen das EU-Recht melden. Viele Mitgliedstaaten, so lautet ein weiteres Urteil, hätten die einschlägigen Vorschriften nur verspätet umgesetzt.

Beim Thema Transparent kritisiert der Rechnungshof, dass es keine öffentlich zugänglichen Informationen über das Ausmaß von Interessenkonflikten im Bereich der geteilten Verwaltung der EU-Ausgaben gibt. Dazu gehört auch, dass nicht alle Unregelmäßigkeiten gemeldet werden. Das betrifft unter anderem Förderungen von weniger als 10.000 €. Vielmals werden Verstöße auch scheinbar nicht angezeigt, die in den EU-Ländern noch vor der Anforderung von Mitteln bei der EU-Kommission aufgedeckt und berichtigt werden.

Die allgemeine Bewertung des Hofes ist: es gibt ausreichend gesetzliche Grundlagen in der Kohäsionspolitik, um gegen Interessenkonflikte anzugehen, aber Transparenz und Ermittlungen sind lückenhaft.

European Consulting Group