Studie zu den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und des Krieges gegen die Ukraine auf die Kohäsionspolitik der EU

Der für Regionalpolitik zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments hat heute in seiner Sitzung eine Studie seines wissenschaftlichen Dienstes zu den Wirkungen der Pandemie und der Aggression im Nachbarland auf die Umsetzung der Kohäsionspolitik beraten.

Die Studie mit dem Titel „The impact of the COVID-19 pandemic and the war in Ukraine on EU cohesion“ gehen auf den Beitrag der Struktur- und Kohäsionsinstrumente zur Lösung der sich teilweise verschärfenden Situationen in einigen Regionen und für bestimmte Bevölkerungsgruppen ein.

Die Anfälligkeit vieler Orte und gesellschaftlicher Gruppen würde die Gefahr bergen, dass sich die Ungleichheiten in der EU verstärken. Die Kohäsionspolitik habe sich als äußerst flexibles Instrument erwiesen, mit dem schnell und wirksam auf die Auswirkungen der Pandemie und der aktuellen Krisen hätte reagiert werden können, eine bereits häufig gehörte Einschätzung, die auch hier formuliert wird. Dabei erläutern die Autor*innen erneut die Bedeutung der neu eingeführten Werkzeuge, wie die Coronavirus Response Investment Initiativen und REACT-EU, durch die Mittel aus den Strukturfonds vereinfacht, flexibel und schneller zur Verfügung gestellt werden konnten. Im Zeitraum 2014-2020 reagierten die Programme des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Kohäsionsfonds (KF) insofern auf die Pandemie, indem sie Mittel aus der Förderung hauptsächlich langfristiger strategischer Investitionen wie Infrastruktur, Forschung und Entwicklung, Energieeffizienz und erneuerbare Energien auf zusätzliche Unterstützungen für notleidende KMU, Bürger*innen und den Gesundheitssektor umschichteten, schreiben sie.

Für den Förderzeitraum 2021 bis 2027 erkennen sie in den Programmplanungen der Fondsverwaltungsbehörden wieder ein „zurück zur Normalität“. Die derzeitigen Förderstrategien der EU-Staaten und ihrer Regionen beruhten auf der gleichen Logik wie vor der Pandemie, ist zu lesen. Dabei würden die neuen Regeln viel stärker die „territoriale Resilienz“ als spezifische Ziele im EFRE und im ESF+ zulassen. Die territoriale Resilienz könnte u.a. durch territorial integrierte Strategien gestärkt werden, gerade auch dank der vereinfachten Kostenoptionen (SCO) und der Globalfinanzierungen.

Die vom Ausschuss in Auftrag gegebene Studie enthält eine Reihe von Empfehlungen an die Europaabgeordneten, wenn es darum geht, die Kohäsionspolitik für die Zeit nach dem Krisenmanagement zu denken. Sie fordern, die Krisen als Chance zu begreifen und die Strukturpolitik wieder stärker für den Übergang zu einer nachhaltigeren, digitalen und solidarischen Zukunft einzusetzen.

Für die Verlagerung der Finanzierung von Soforthilfe auf Kohäsionsprojekte sollte die Konzentration auf qualitativ hochwertigen Projekten mit einer klaren Kohäsionsperspektive liegen, meint das Autorenteam. Im Rahmen des Europäischen Semesters sollte das Europäische Parlament deshalb eine langfristige Perspektive fördern, die auf strukturelle Veränderungen abzielt und sich im Prozess der Bewertung der Länderberichte und der Formulierung länderspezifischer Empfehlungen dafür einsetzen.

Die Qualität der neuen Programme ist ein weiteres Thema, das hier angesprochen wird. Aufgrund von Kapazitätsengpässen in der Verwaltung bestehe die Gefahr, dass die Qualität leiden könnte. Um diese Qualität zu gewährleisten und die derzeitigen Engpässe bei Zeit- und Personalkapazitäten zu überwinden, empfehlen die Autor*innen, eine administrative Unterstützung und die Möglichkeit der Neuprogrammierung in Betracht zu ziehen. Das Europäische Parlament sollte sich dementsprechend einsetzen, für eine administrative Hilfestellung für die Programmbehörden und eine weitere Vereinfachung bei der Umsetzung. Außerdem sollte eine freiwillige Halbzeitüberprüfung und eine Neuprogrammierung im Jahr 2023 für den Fall ermöglicht werden, dass bereits angenommene Programme nicht strategisch und anspruchsvoll genug sind.

Bei der Zukunftsdiskussion sollten die Europaabgeordneten sich für eine strategische Vision für die Union einsetzen, sie sich in den regionalen Entwicklungsplänen und Programmen wiederfindet.

Das Zusammenspiel zwischen den nationalen Aufbau- und Resilienzplänen und den Programmen der Struktur- und Kohäsionsfonds sollte im nächsten Jahr umfassend reflektiert werden, um Lehren für die langfristige Ausrichtung der kohäsionspolitischen Programme zu ziehen, lautet eine weitere Anregung. Die Europäische Kommission sollte die Hinweise von den EU-Staaten im Zusammenhang mit den Länderberichten und länderspezifischen Empfehlungen 2023 einfordern und zusammen erörtern.  

Was können die verschiedenen Entwicklungsoptionen für die EU-Kohäsionspolitik nach 2027 sein, auch darauf wird kurz in der Studie eingegangen:

  • ein radikal anders aussehendes Konzept als Motor für den digitalen- und Klimawandel und wo die Kohäsion der politische Integrator darstellt,
  • ein eng fokussiertes Finanzierungssystem, das für eine zunehmende Zahl von zweckgebundenen Politiken eingesetzt wird oder
  • eine Abschaffung der Kohäsionspolitik, da es ihr an Agilität und Flexibilität fehlt, um sich an veränderte Umstände anzupassen.

European Consulting Group