Kommission und Parlament setzen sich für Nutzung von Strukturfondsgelder für ukrainische Flüchtige ein

Das Europäische Parlament legte in seiner Plenartagung diese Woche in Straßburg eine sogenannte Fragerunde zur Umsetzung der EU-Strukturfonds für die Förderperiode 2021-2027 ein. Die vom Regionalausschuss initiierte Debatte ist Ausdruck der Sorgen, die sich die Europaabgeordneten über den verspäteten Start der neuen Förderphase machen.

So zeigte sich der Ausschussvorsitzende Younous Omarjee in seinem Input beunruhigt über die  Tatsache, wie er es ausdrückte, dass die meisten der Partnerschaftsvereinbarungen zwischen der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten im zweiten Jahr noch immer nicht unterzeichnet sind. Mit Blick auf die in den Staaten vorherrschenden Resilienz- und Aufbaupläne meinte er, dass diese eher zur Konkurrenz zwischen den Regionen der EU beitrage anstatt zur Kohäsion, wie es Ziel der Strukturfonds sei. Die Kommissarin Elisa Ferrera, die zur Beantwortung der Fragen geladen war, versicherte, dass die Verabschiedung der Partnerschaftsverträge eine Priorität der Kommission sei. Bisher ist eine Partnerschaftsvereinbarung unterzeichnet, informierte sie, mit Griechenland. Zehn seien bisher formal bei der Behörde eingereicht, mit ca. 100 Operationellen Programmen. Sie erwartet die Annahme der meisten dieser Grundlagendokumente in der zweiten Hälfte 2022.

Ferrera wies außerdem darauf hin, dass fehlende Verträge nicht gleichzeitig keine Mittel bedeuten würde. So wird EU-React aktuell in den meisten Regionen umgesetzt. Auch könnten jetzt schon Projekte aus den neuen Fonds finanziert werden, in Form einer Vorfinanzierung. Mit der Verabschiedung der Verordnungen seien die Kosten bereits seit dem 1.1.2022 förderfähig.

Allerdings, so gab sie zu, könnten sich die Staaten keine weiteren Verzögerungen erlauben. Die für dieses Jahr geplanten Haushaltsmittel für die Strukturfonds können scheinbar nicht, wie für 2021 getan, auf einen späteren Zeitraum übertragen werden.

Das langjährige Ausschussmitglied Constanze Krehl forderte in der Aussprache die EU-Länder ebenfalls dazu auf, ihre Arbeit zu machen und die Partnerschaftsabkommen und Programme so schnell wie möglich einzureichen. Die Regionen seien bereit, mit den Kohäsionsfondsprojekten beginnen zu können, sagte sie. „Die Bürger*innen erwarteten das und brauchen unsere Hilfe in diesen schweren Zeiten“. Eine Reihe von Abgeordneten sprachen sich auch für eine weitere Flexibilität aus, um die Mittel u.a. auch für die Unterstützung von Flüchtlingen aus der Ukraine nutzen zu können.

Europaabgeordnete Constanze Krehl in der Fragestunde zur Kohäsionspolitik 2021-2027, Quelle: Europäische Parlament

In diese Richtung denkt auch die Europäische Kommission, was aus ihren zwei Tage später veröffentlichten Vorschlägen für umfangreiche Unterstützungsmaßnahmen der EU angesichts der Flüchtlingswelle aus der Ukraine deutlich wird. Über die humanitäre Hilfe, die Unterstützung beim Grenzmanagement und bei den Aufnahmekapazitäten sowie dem Schutz der Kriegsflüchtlinge hinaus sind auch kohäsionspolitische Maßnahmen vorgesehen. Dafür soll die „Kohäsionsmaßnahme für Flüchtlinge in Europa“ aufgelegt werden. Die Behörde wird einige rechtliche Anpassungen vornehmen, um Folgendes zu ermöglichen.

  • Die Option auf eine EU-Kofinanzierung von 100 % für den Zeitraum 2014-2020 wird auf die Rechnungsjahre 2021-2022 ausgeweitet.
  • Die Mitgliedstaaten und Regionen erhalten die Möglichkeit, Mittel entweder aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) oder aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) für alle Arten von Maßnahmen zur Unterstützung von Menschen, die aus der Ukraine fliehen, zu verwenden. So kann jeder Fonds auch Projekte fördern, die normalerweise aus dem jeweils anderen Fonds finanziert werden.
  • Die Ausgaben der Mitgliedstaaten für alle Maßnahmen zur Unterstützung von Menschen, die aus der Ukraine fliehen, sind rückwirkend ab dem Beginn der russischen Invasion (also dem 24. Februar 2022) förderfähig für eine EU-Unterstützung.
  • Die Berichterstattung und die Änderung von Programmen werden vereinfacht.

Das Q&A-Dokument der Europäischen Kommission gibt dazu weitere Details.

European Consulting Group